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Montag, 13. November 2006
Live aus Brasilien
frankiemeyer, 22:05h
Boa tarde allerseits!
Es gibt schlimmere Arbeitsorte als den von Thomas Aders. Der Blick aus dem WDR-Filmhaus auf den Dom ist zwar auch nicht schlecht, aber unter den gewaltigen zum Segen ausgebreiteten Armen der Christusstatue auf dem Corcovado sein Tagwerk zu verrichten, ist doch noch mal eine andere Hausnummer.
Da macht es auch nichts, dass der Sommer sich immer noch etwas ziert, in Rio einzuhalten. Wird aber langsam. Heute Morgen war zum ersten Mal die Sonne nicht hinter Wolken versteckt. Aber das Wetter ist sowieso allgemein zu hoch bewertet. Genauso wie die brasilianischen Frauen. Wegen des Wetters ist man nicht in Rio, da geht man besser in den Nordosten, z.B. nach Bahia, was ich ja bald mache. Denn da ist wettertechnisch eigentlich immer top. In Rio ist man nicht am Strand, um sich zu sonnen, sondern um sich mit anderen Leuten zu treffen und zu labern. Und das geht auch hervorragend bei Wolken. Und das Bier schmeckt immer gleich gut.
Und Rio ist so oder so die traumhafteste Stadt, in der ich je gewesen bin. Diese Lage, diese Umgebung, mit Bergen, Urwald, Stadtleben und Strand - ich glaube, das gibt es so kein zweites Mal. Die Aussichten sind immer wieder faszinierend. Ob nun vom Corcovado oder vom Zuckerhut oder AUF den Corcovado und Zuckerhut vom Aussichtspunkt Vista Chinesa.
Es ist schon seltsam anmutend und irgendwie verquer, aber es gibt da noch etwas, dass diese Stadt so faszinierend macht. Es sind die Armenviertel, die Favelas. Sie wuchern wirklich an jedem Morro (das sind die zahlreichen in den Himmel ragenden Bergkegel hier), und wie die Behausungen da aufeinander gestapelt und ineinander verkeilt an die Berge geklatscht sind, das sieht echt krass aus. Mehr als eine Million Menschen (von insgesamt ca. sieben) leben in den Favelas, 170000 allein in der riesigsten, Roçinha, wo es auch Touren durch gibt. War eine interessante Erfahrung.
Die Leute leben zwar in vergleichsweise armem Zustand auf engstem Raum, haben aber alles zum Leben, Wasser, Kanalisation, Strom, Abfallwirtschaft, etc., und, klar, auch Telefon, Internet, Radio und Fernseher. Die Favelas sind also ins normale Stadtleben eingebunden, und niemand kommt auf den Gedanken, da jemals rauszukommen. Was in ganz Brasilien gilt, gilt auch in den Favelas: Man geht nicht weg von den Leuten, die man kennt und die einem nahe stehen. Das ist so die Lebensphilosophie.
Und seit die Favelas auch offiziell "bairros" sind, also Stadtteile, haben die Bewohner auch eine richtige Adresse. Vorher war auf der Karte von Rio, wo de facto eine Million Menschen ihre Behausungen haben, von eben jenen Behausungen nichts zu sehen. Da war nur Urwald eingezeichnet.
Wenn Brasilien das Land der Kontraste ist, wo es die ungerechteste Einkommensverteilung der Welt gibt, dann ist Rio davon noch mal die Essenz. Neben der Favela liegt ein Golfplatz. Hinterm Berg Leblon. Mit einer der reichsten Stadtteile Rios. Die Menschen, die dort abends ausgehen - wie von einem anderen Stern. Alle super gekleidet, kaum Schwarze, hier ist die upper class von Rio zuhause. Und hier tummeln sich die schicksten Menschen in den schicksten Bars. Im "Melt" ist es z.B. nicht viel anders wie in einer schnieken Bar in Colonia. Nur der Caipirinha schmeckt besser. Bilde ich mir zumindest ein. Liegt wahrscheinlich an der Umgebung. Am Wetter und den Frauen hier jedenfalls nicht. Beides wird allgemein zu hoch bewertet. Auch in Leblon.
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Francão
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